Liebesstress, Peitschen, Messer und zwei Chihuahuas.
Was es vor dem Beginn des 20. Internationalen OVAG-Varietés so alles zu tun und beachten gibt.
Wie dirigiert man acht Koffer, in denen sich neben der Wechselwäsche auch Schwerter, Messer, Peitschen und Armbrüste befinden, von Las Vegas zum Flugplatz nach Frankfurt, ohne dass die Behörden eine Fahndung nach Absender und Empfänger auslösen? Wie bringt man eine Luftgesellschaft dazu, dass die Artistin, der jene Koffer gehören, ihre beiden Chihuahuas – die für sie ebenso wichtig wie jene mysteriösen Utensilien - mit in den Passagierbereich des Flugzeuge nehmen darf? Wie klärt man die Frage, ob ukrainische Artisten, die in Frankreich gemeldet, dort eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, in Deutschland arbeiten sprich auftreten dürfen? Kein Problem für Anne Naumann von der Öffentlichkeitsarbeit der OVAG, der seit vielen Jahren, neben ihren alltäglich anfallenden Aufgaben, kein Fährnis unbekannt ist, das mit der Verpflichtung von 44 Artisten aus 19 Nationen auftauchen könnte.
Obwohl, sagt sie lachend, derartiges habe in all den Jahren noch nicht erlebt: „Ein Pärchen, trennt sich mitten im Jahr, wird uns von der Agentur mitgeteilt“, berichtet sie. „Ob wir mit einer Ersatzpartnerin für den Artisten einverstanden seien? Klar, was wollen wir auch anders sagen. Dann die Meldung: Alles nur eine Eifersuchtssache.“ Umbuchung vom Doppel- ins Einzel- und dann wieder zurück zum Doppelzimmer. „Und jetzt doch wieder Einzelzimmer“, steht selbst Anne Naumann ein Fragezeichen im Gesicht und bei einem Blick in ihr Outlook-Postfach stellt sie seufzend fest, dann sie in dieser Sache in den vergangenen Monaten 98 Emails empfangen und gesendet hat.
Aber Zeit, sich über Beziehungsmiseren Gedanken zu machen, hat sie derzeit nicht. Catering für die Artisten organisieren ebenso wie Fahrten, um Künstler von Städten abzuholen, wo sie noch kurz vor dem 20. Internationalen OVAG-Varieté vom 10. Januar bis 4. Februar im Dolce-Theater in Bad Nauheim auftreten. Amsterdam, Regensburg, Berlin, Paris. „Das ist oft preiswerter und effektiver als Fliegen wegen all der Koffer und Requisiten“, sagt sie.
Weiter geht es mit dem Schreiben von den Ablaufplänen für die Artisten, ein Dossier für die nächsten sechs Wochen mit genauer Angabe der Probe-, Trainings- und Mahlzeiten, besonderen Auftritten wie etwa dem Empfang durch den Bürgermeister der Stadt Bad Nauheim, Treffen mit Medienvertretern, Kulissenführung für Gewinner einer Tageszeitung und dergleichen mehr.
Und dann geht es auch schon los. Am 1. Januar treffen die ersten Künstler ein, das Duo Laos aus Buenos Aires mit drei Kindern und Mutter, die assistiert. Am selben Tag beginnt die Firma Flashlight aus Marburg, die sich seit 14 Jahren zuverlässig um Ton und Licht kümmert, Traversen, Boxen und Scheinwerfer aufzubauen. Am 5. Januar fangen um 8 Uhr die Proben an. Paolo Folco ist als Erster an der Reihe. Zuvor muss hinter dem Dolce noch sein riesiger Trailer und der Auslauf für seine neun Hunde aufgebaut und eingerichtet werden. Nachmittags wird Moderatorin und Sängerin Simone Stiers alias Sommerland nach Frankfurt gefahren, der Hessische Rundfunk hat um ein Ein-Stunden-Interview gebeten. Im Moment spielt Simone Stiers noch die Titel ein, die sie beim Varieté darbieten möchten. Einen gibt sie schon mal preis: „Goldfinger – das passt wunderbar zu der Schießdarbietung von Deadly Games.“ Seit Wochen steht sie mit der Sandmalerin Polina Sayfudinova in Verbindung, weil sie zu deren poetischen Nummer live singen wird. Und für das bewährte Finale der Show hält sie ein Bonbönchen bereit.
Auch die anderen Artisten sind neben ihren Engagements (die Winter- und Weihnachtszeit ist Hochsaison für sie) nicht untätig. Houla-Hoop-Königin Yulia Rasshivkina übt eigens für Bad Nauheim eine neue Choreographie ein zu „Proud Mary“. „Mir ist bewusst, dass das OVAG-Varieté eine der bedeutendsten Shows in Europa ist – da möchte ich noch mal einen Zahn zulegen.“ Polina Sayfudinova schaut, ob sie genug Sand eingepackt hat, Jonathan Rossi, ob die Reifen seines BMX-Rades genug Druck haben, Eonys Goncalves, ob ihre Pole-Stange glatt poliert und die vier Jungs von Crazy Flight aus Kiew, ob ihre Muskeln gut in Form – was außer Frage steht. Und der 10. Januar ist der Tag, auf den alle hingearbeitet hat. 14 Uhr Generalprobe, 20 Uhr Premiere. Dann gibt es kein Zurück mehr …
Restliche Eintrittskarten zwischen 37 und 41 Euro bei der OVAG unter 06031 6848 1113, bei allen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet unter www.adticket.de